Europäische Wochen – Wochenende der Gegensätze


Wiener Kammerorchester in Engelszell

„LEICHTEN Herzens, frohen SINNS” – unter diesem Motto in EW-Kreativ-Schreibung steht laut Programmheft das Konzert in der oberösterreichischen Stiftskirche Engelszell, mit „heiteren” Werken von „ungeheurer Popularität”. Zum Glück trifft dies nicht ganz zu – tatsächlich sind die Stücke weder banal noch zu oft gehört, sondern durchaus tiefgründig und mit Be­dacht zusammengestellt.

Schon in der zum Warmspielen bestens geeigneten Mendelssohn­schen Streichersinfonie in h-Moll lotet das Wiener KammerOrches­ter unter seinem Chefdirigenten Stefan Vladar behutsam auch die dunklen Seiten des Adagios aus, bevor es im Allegrosatz dynamisch perfekt ausdifferenziert und flott zur Sache kommt.

Dann rückt der hervorragende Bösendorfer-Flügel in den Mittel­punkt und damit Stefan Vladar als Pianist. Mozart pries sein Klavier­konzert A-Dur KV 414 in einem Brief an den Vater als „sehr brillant – angenehm in die Ohren”, und ge­nau so darf es das Publikum in der Stiftskirche hören: Kristallklar per­lende Läufe und makellos gesetzte Akkorde bei dezentem Pedalgebrauch Faszinierend zu beobach­ten, wie sehr das Orchester auf sei­nen Dirigenten/ Pianisten achtet wie vor allem im zarten Adagio ei­ne fast kammermusikalisch – in­time Atmosphäre entsteht.

Nach der Pause – die im Pro­grammheft fälschlich erst später angesetzt ist – und nach Samuel Barbers ergreifendem „Adagio for Strings” dann Tschaikowskis „Souvenir de Florence”: Eigentlich als Streichsextett komponiert, klingt das gleichermaßen vielfälti­ge wie einzigartige Werk auch in Orchesterbesetzung ganz famos. Satter, dichter Streicherklang mit strahlenden Violinen auf der einen und weichen, grundigen Bässen auf der anderen Seite. Stefan Vla­dar gelingt es mit vollem Körper­ einsatz, sein Orchester zu noch nuancierterer Artikulation zu animieren, noch mehr Pathos in die schwelgerischen Themen des Ada­gio cantabile zu legen. Im letzten Satz forciert er die Celli zu ruppi­gem Zupacken, kurbelt mit Arm­ kreisen das Tempo an zur furiosen Schluss-Stretta mit kräftig akzen­tuierten Schlussakkorden. Fulmi­nantes Finale, strahlendes Orches­ter, begeistertes Publikum – und leichte Herzen und frohe Sinne all­ überall.

Hildegard Franz