Auf dem Hauptgipfel der Schönheit


Viel zu selten kommt die Gelegenheit, alle Klavierkonzerte von Beethoven auf einmal zu hören. Die Neuberger Kulturtage beglückten ihr Publikum mit dieser einleuchtenden Programmwahl. Und Intendant Stefan Vladar dirigierte “sein” Wiener Kammerorchester vom Klavier aus durch fünf großartige Aufführungen.

Zweimal erhob sich das Publikum jubelnd von seinen Sitzen im Dormitorium: am ersten Abend nach dem dritten, am zweiten nach dem fünften Klavierkonzert. Im blinden Verständnis hatten das Wiener Kammerorchester und sein Chefdirigent am Klavier die Entwicklung nachgezeichnet, welche die Gattung unter Beethoven genommen hat. Ihnen gelangen Interpretationen der güldenen Mitte, die – zwischen lyrischer Versenkung und scharfen Tutti-Watschen, vehement durchgepeitschten Ecksätzen und kostbaren Schlaglichtern – den Kanon der Musiziertugenden mustergültig vorexerzierten. Dass die kompakte Saalakustik sowohl die dynamische Bandbreite als auch den räumlichen Klang begrenzte, störte nur peripher. Vladar gelang am Steinway ein Balanceakt zwischen der Erfüllung virtuoser Ansprüche und künstlerischer Geistesgegenwart: Souverän, aber alles andere als abgeklärt; mit Hingabe, doch nie ausleiernd, verschränkte er sein hellhöriges Spiel nahtlos mit dem Orchester.

Nach der aufmerksamen Wiedergabe der beiden ersten, noch ganz Mozart verpflichteten Konzerte feierten Solist und Orchester im Largo des dritten einen ersten Zwischengipfel, dessen weihevolle Breite sich im finalen Rondo gewaltig entlud. Und rundum glückte die Krönung mit dem fünften Konzert, dessen atemberaubende Schönheit in überirdischer Sanftmut des langsamen Satzes gipfelte und dem gebannt lauschenden Publikum in Erinnerung rief, warum es den klassischen Konzertbetrieb gibt.

M. Wagner